SGRAFFITI-FRIESE
Sgraffito, 1953, Am Röttgen 60, heute Kreisvolkshochschule, ursprünglich Landwirtschaftsschule
Sgraffito ist eine künstlerische Technik, die besonders zur Zeit der Renaissance in Italien und Böhmen beliebt war. Dabei werden verschiedene Putzschichten übereinander aufgebracht, von denen die Obere in Teilen wieder abgekratzt wird, so dass die Motive nach und nach herausgearbeitet werden.
Georg Schmidt-Westerstede hat viele Sgraffti gearbeitet, deren Vorteil die lange Haltbarkeit im Außenraum ist. Zwei schöne Beispiele sind an der ehemaligen Landwirtschaftsschule, der heutigen Kreisvolkshochschule, erhalten. Sie zeigen stark schematisierte Figuren, deren Tätigkeiten allerdings genau erkennbar sind. Der Fries in Richtung des ehemaligen Schulhofs thematisiert Lesende und Musizierende unter einem Baum. Der zur Straße weisende Fries zeigt sportliche Aktivitäten wie Reiten, Laufen, Bogenschießen und Speerwerfen.
Die Themenfelder passen gut zu einer Schule, das Material und die Farben fügen sich sehr gut ins Gesamtbild der Architektur. Stilistisch erkennt man an der Formgebung der Figuren den Einfluss der Papier Découpés von Henri Matisse, die Schmidt-Westerstede auf seinen Reisen in die französische Kunstmetropole 1953 kennengelernt hat.
GLASMOSAIKE
Mosaik ist eine künstlerische Technik, die aus kleinen Teilen unterschiedlicher Farben und Formen ein Motiv zusammensetzt. Diese Technik kannte man bereits im Altertum und Georg Schmidt-Westerstede hat sie in Italien oder auch schon im Pariser Louvre kennengelernt.
Ab 1956 treten Mosaike in seinem Oeuvre auf, die er zunächst aus vorgebrochenen Steinen sehr akkurat arbeitet. Bereits Ende der 1950er Jahre begann er, die Mosaikglasplatten, Smalten genannt, selber zu schneiden oder zu brechen und sie viel freier zusammenzufügen, wodurch die Mosaike dynamischer und lebendiger wirken.
Im Gegensatz zur antiken Technik verlegte er die Steine nicht direkt ins Mörtelbett, sondern klebte sie zunächst seitenverkehrt auf einen Pergaminträger, um sie anschließend vor Ort zu montieren. Diese Arbeitsweise ermöglichte es ihm, seine Werke im Atelier zu fertigen.
Durch die Verwendung von durchgefärbten sowie durchscheinenden Teilchen, die Georg Schmidt-Westerstede auch mit Kupfer oder Blattgold belegte, erhalten die Oberflächen z.T. einen metallischen Schimmer und eine flirrende, sehr intensive Wirkung.
PFERDE
Glasmosaik, 1965 (angebracht 2010), Wilhelm-Geiler-Straße 12 a, am Amtsgericht
VIER JAHRESZEITEN
Glasmosaik, 1967, Breslauerstraße 90
KOMPOSITION IN BLAU
4 Glasmosaik-Friese, 1965, Anton-Günther-Staße 3
FISCHE, HUMMER, KRABBEN
Glasmosaik, 260/260 cm, 1964
Ein gutes Beispiel für die Mosaikarbeiten von Schmidt-Westerstede ist das Glasmosaik „Fische, Hummer, Krabben“, das er für das Gebäude der Fa. Gardon Dirksen, ein Fischmehl-Mischbetrieb, 1964 angefertigt hat. Vor dem Abriss des Gebäudes 1988 konnte es gerettet werden, blieb lange eingelagert und wurde 2007 auf der Rathausrückseite neu montiert. Der Architekt Ulrich Recker hat die von ihm 2006 entworfene Fassade eigens für diesen Zweck umgestaltet, um das Mosaik hier sinnvoll zu integrieren.
Erfahren Sie hier mehr über die Gesamtkonzeption durch Ulrich Recker!
FASSADENGESTALTUNG
Fassadenmalerei, Fa. Steinhoff Möbel, Hochregallager, 1979, Langebrügger Straße 5
Georg Schmidt Westerstede war als Farbberater für die Stadt Oldenburg tätig und hat Entwürfe für die Farbgestaltung ganzer Straßenzüge entworfen, die dann nach seinen Vorgaben gestrichen wurden.
Für die Firma Steinhoff Möbel gestaltete er die östliche Außenfassade des Hochregallagers, das jedem Besucher, der mit dem Auto in die Stadt kommt, bekannt ist.
Man wundert sich über die ungewohnte Farbigkeit eines Lagerhauses und erkennt, dass das Gebäude damit in ein anderes Licht gerückt wird. Nicht unauffällig, wirkt das Lagerhaus aber durch seine farbliche Segmentierung, die das Farbspiel des Himmels oder der reifen Kornfelder der Umgebung wiedergibt, weniger voluminös gegen den Horizont.
Die anderen Gebäudeseiten wurden nach dem Tod des Künstlers durch den Architekten Gerold Otten gestaltet.
BETONRELIEF
Beton und Glasmosaik, 1969, Kuhlenstraße 42, Fassade der Fa. Otte
Das Betonrelief wurde für die Bauunternehmung Otte angefertigt und zeigt stilisierte Motive aus dem Bereich des Baugewerbes, die sich durch aufmerksames Betrachten offenbaren. Besonders schön ist bei dieser Arbeit die Verbindung von Beton und Glasmosaik, die reizvolle visuelle Effekte erzielt und eine lebendige Oberfläche hervorruft.
Kritiker warfen Georg Schmidt-Westerstede stilistische Beliebigkeit vor, da er in Konzeption und Ausführung zu sehr den Wünschen seiner Auftraggeber folgte.
Bemerkenswert ist aber doch, dass die Arbeiten des Künstlers vielen Menschen Identifikationsmöglichkeiten boten. Denn auch wenn er auf die Wünsche seiner Auftraggeber eingegangen ist, sind seine Arbeiten unverwechselbar und klar als Werke Georg Schmidt-Westerstedes zu erkennen.
BRUNNENSKULPTUR
Bronze, Beton, 1982, Schillerstraße 4 vor dem Eingang Der AOK
Dieser sechseckige Brunnen besteht aus einem Betonbecken, in dessen Mitte ein Korpus mit sechs Bronzereliefplatten montiert ist, die florale Motive zeigen.
Der Brunnen wurde posthum nach dem Tod Schmidt-Westerstedes fertig gestellt.
Für die AOK hat Schmidt-Westerstede einige Werke angefertigt.
Ein von ihm gestaltetes Glasfenster im Treppenhaus ist während der Öffnungszeiten zugänglich, ebenso ein Bronzerelief im Eingangsbereich.
GEORG SCHMIDT-WESTERSTEDE
Geboren 1921, gestorben 1982
Der gebürtige Wilhelmshavener Georg Schmidt verbrachte seine Jugendzeit in Westerstede. Nach einer Ausbildung zum Malerhandwerker studierte er nach dem 2. Weltkrieg in Bremen Kunst. 1947 war er Gründungsmitglied des Bundes Bildender Künstler Nordwestdeutschlands (Zweigstelle Oldenburg) und ergänzte seinen Namen mit dem Zusatz „Westerstede“. Seit 1949/50 als Freischaffender Künstler tätig, führten ihn Studienreisen öfter ins Ausland. Seine Paris-Aufenthalte 1953 übten dabei einen besonderen Einfluss auf ihn aus. Ab 1946 lebte er in Oldenburg.
Schmidt-Westerstede hat ein vielseitiges Werk hinterlassen, das neben Malerei und Grafik insbesondere „Kunst am Bau“ umfasst. Im Gegensatz zu den Oeuvres seiner Künstlerkollegen wie Adolf Niesmann oder Reinhard Pfennig, die sich ebenfalls mit diesem Bereich beschäftigt haben, überwiegen die Kunstwerke für den Außenraum deutlich.
„Kunst am Bau“ meint Kunst, die mit einem Bauwerk entweder im Innen- oder im Außenraum verbunden ist. Darüber hinaus ist mit diesem Begriff auch die Idee eines baukulturellen Auftrags verbunden, da sich der Staat nach 1945 verpflichtet hat, 1 % der Investitionskosten von Bauprojekten in Kunst am Bau zu investieren. Diese Entscheidung basierte auf Forderungen, die Künstler bereits in den 1920er Jahren formulierten. Sie forderten bei Planung und Umsetzung von Bauprojekten eine garantierte Beteiligung von bildenden Künstlern. Nach den Erfahrungen der Gleichschaltung der Kunst in der Zeit des Dritten Reiches wurde diese Forderung aufgegriffen, um die Unabhängigkeit der Kunst zu garantieren. Diese Idee wurde z.T. auch von Kommunen und privaten Bauherren übernommen, um einen kulturellen Mehrwert im Städtebau zu schaffen.
Georg Schmidt-Westerstede hat sehr unterschiedliche Projekte im Rahmen von Kunst am Bau umgesetzt. Neben Wandmalereien hat er Plastiken, Reliefs und Mosaike in unterschiedlichen Materialien wie Beton, Stein, Leichtmetall, Bronze und Glas gestaltet. In Oldenburg hat er mit Kollegen den Herbartgang zu einem Gesamtkunstwerk gestaltet, in dem er unterschiedliche Techniken wie Beton- und Klinkerrelief sowie Glasmosaik zu einem natürlichen Ganzen fügte. In Westerstede haben sich seine Arbeiten sowohl im öffentlichen Raum als auch im Privatbesitz erhalten.
Seit 1998 liegt ein Werkverzeichnis des Künstlers vor, das die Stiftung für Kunst und Kultur in der Stadt Westerstede herausgegeben hat und das einen umfassenden Überblick über das Oeuvre des Künstlers gibt.